

Wenn das Knie schmerzt und jede Bewegung zur Qual wird, kann Gonarthrose der Grund sein. Die degenerative Kniegelenkserkrankung betrifft Millionen Menschen in Deutschland und bringt oft eine langwierige Suche nach wirksamen Therapien mit sich. Eine neue Leitlinie zur Behandlung zeigt nun, welche Ansätze tatsächlich helfen – und wie alternative Methoden im Vergleich abschneiden.
Alternative Therapien bei Kniearthrose: Welche Behandlungsmethoden wirklich helfen können. Foto: Shutterstock
Knieschmerzen, die mit den Jahren immer schlimmer werden – bei vielen Menschen liegt die Ursache in einer Arthrose des Kniegelenks, auch Gonarthrose genannt. Diese degenerative „Volkskrankheit“ betrifft besonders Menschen über 65 und umfasst sämtliche Abnutzungserscheinungen des Kniegelenks. Die chronischen Veränderungen führen zu fortschreitendem Knorpelabbau und chronischen Entzündungen, die das Gelenk schmerzhaft versteifen und die Lebensqualität massiv einschränken. Im fortgeschrittenen Stadium ist der Knorpel oft so stark zerstört, dass das Gelenk kaum noch belastet werden kann.
Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) hat ihre Leitlinie zur Gonarthrose kürzlich umfassend aktualisiert.1 Bisher werden die Beschwerden meist durch Schmerzsalben und entzündungshemmende Medikamente (nicht-steroidalen Antirheumatika, kurz NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac behandelt, die direkt auf das Knie aufgetragen werden. Doch auch naturheilkundliche Verfahren wie Akupunktur oder Anwendungen wie Thermalbäder und Schlammpackungen finden bei vielen Betroffenen Anklang. Die Autoren der Leitlinie haben die aktuelle Studienlage zur Wirksamkeit dieser Therapiemethoden ausgewertet und geben eine Orientierung, welche alternative Ansätze sich bewährt haben und welche weniger empfehlenswert sind.
Die Leitlinie der DGOU empfiehlt folgende alternative Therapieoptionen zur Unterstützung der Gonarthrosebehandlung:
Seit der letzten Überarbeitung der Leitlinie zur Gonarthrose sind zahlreiche neue Studien und Metaanalysen erschienen, die die Wirksamkeit der Akupunktur bestätigen. Die Metaanalyse von Vickers et al. (2018) zeigt, dass Akupunktur eine signifikante Schmerzlinderung bietet, insbesondere im Vergleich zu keiner Behandlung und Scheinakupunktur, mit stabilen Effekten über mindestens drei Monate.2
Besonders vielversprechend ist die Elektroakupunktur, die in aktuellen Studien aus Peking deutlich effektiver als die traditionelle Körperakupunktur abschneidet.3,4,5,6 Diese Methode zeigt schnellere und stärkere Verbesserungen in Schmerz und Funktion, wobei auch die Intensität der elektrischen Stimulation eine Rolle für den Therapieerfolg spielt.
Zudem hat das Dry Needling, bei dem Nadeln in Triggerpunkte gesetzt werden, in systematischen Übersichtsarbeiten signifikante Effekte auf Schmerz und Funktion gezeigt, die teils besser sind als bei Vergleichsgruppen.7
Insgesamt belegen die neuen Studien, dass Akupunktur, insbesondere Elektroakupunktur und Dry Needling, effektive Ergänzungen zur Behandlung von Gonarthrose darstellen und Patienten mit chronischen Schmerzen wertvolle Linderung bieten können. Zwar weisen einige Studien methodische Schwächen auf, doch die positiven Ergebnisse sind zahlreich genug, sodass die Leitlinienautoren zu dem Schluss kommen: „Akupunktur kann zur Therapie der Gonarthrose erwogen werden“.
Die Leitlinie empfiehlt Balneotherapie als Teil eines multimodalen Behandlungsansatzes bei Gonarthrose. Hierbei kommen Anwendungen wie Thermalbäder und Schlammpackungen zum Einsatz, häufig ergänzt durch Physiotherapie oder Bewegungseinheiten. Einzelne Studien bestätigen positive Effekte dieser Anwendungen auf Gonarthrose-Symptome wie Schmerz und Funktion, allerdings ist die Unterscheidung der Wirkung von Thermalwasser und Schlamm schwierig, da diese häufig kombiniert angewendet wurden.
Eine Metaanalyse von Ma et al. (2021) untersuchte die Wirkung der Balneotherapie auf Schmerz, Funktion und Lebensqualität bei Gonarthrose und fand eine signifikante Überlegenheit der Balneotherapie gegenüber Kontrollgruppen (z. B. Leitungswasserbäder oder keine Behandlung).8 Die Anwendungen dauerten in der Regel 2 bis 10 Wochen, und die Nachuntersuchungen fanden 3 bis 9 Monate später statt. Die Balneotherapie erzielte eine deutliche Schmerzreduktion auf der Visuellen Analogskala (SMD –1,50; P=0,001) und der WOMAC-Schmerzskala (SMD –0,52; P<0,00001), obwohl zwischen den Studien eine große Heterogenität bestand. Auch die Funktionalität und Lebensqualität verbesserten sich signifikant im Vergleich zu den Kontrollgruppen.
Unterschiede zwischen ambulanter und stationärer Balneotherapie wurden in zwei Studien untersucht, führten jedoch zu uneinheitlichen Ergebnissen: Während Yasar et al. (2021) eine ambulante Behandlung hinsichtlich der Schmerzreduktion auf der VAS-Skala bevorzugte, zeigte die Studie von Özkuk et al. (2018) Vorteile für die stationäre Therapie, allerdings nur bei geriatrischen Patienten.9,10
Zusammengefasst zeigt die derzeitige Evidenz, dass Balneotherapie als kombiniertes Behandlungsprogramm bei Gonarthrose wirksam ist und positive Effekte auf Schmerz, Funktion und Lebensqualität bietet
Beinwellextrakt-Gel kann als topisches (lokal angewendetes) Phytotherapeutikum zur Linderung von Symptomen bei Gonarthrose erwogen werden. Studien weisen auf eine klinisch relevante Schmerzlinderung und gute Verträglichkeit hin. Eine Übersichtsarbeit von Cameron et al. (2013) umfasst verschiedene Untersuchungen zu topischen Phytotherapeutika bei Arthrose, darunter auch zu Symphytum officinale (Beinwell), Arnica montana (Handarthrose) und Capsicum.11 Im Gegensatz zu anderen Präparaten, wie Capsicum, das aufgrund niedriger Wirkstoffkonzentration keine Linderung bewirkte, und chinesischen Kräuterpflastern, die keine signifikante Wirkung zeigten, wird für Beinwellextrakt eine schmerzlindernde Wirkung angenommen. Aufgrund der guten Verträglichkeit könnte das Gel eine sinnvolle Option für die lokale Schmerzbehandlung bei Gonarthrose sein. Die Leitlinie rät jedoch von anderen pflanzlichen Präparaten zur topischen Anwendung bei Gonarthrose ab.
Eine 8- bis 12-wöchige orale Behandlung mit Kurkuma- oder Curcuminoid-Präparaten kann die Symptome der Gonarthrose, wie Schmerzen und eingeschränkte Gelenkfunktion, wirksam lindern. Eine Monotherapie mit 1000 mg Curcumin pro Tag scheint ähnlich effektiv wie NSAR-Medikamente zu sein, jedoch mit geringeren Nebenwirkungen.12,13 Eine Dosis von 500 mg/Tag Curcumin kann ebenfalls hilfreich sein, wenn sie ergänzend zur NSAR-Schmerzmedikation eingenommen wird.
Studien deuten darauf hin, dass Kurkuma sicher ist und langfristig eingenommen werden kann, doch fehlen hierzu umfassende Langzeitdaten.14,15 Wichtig ist die Verwendung standardisierter Präparate, da Kurkuma, selbst in Bio-Qualität, häufig Verunreinigungen und Pestizidrückstände aufweist. Bei nicht standardisierten Präparaten kann die therapeutische Wirkstoffkonzentration nicht sichergestellt werden.
Plättchenreiches Plasma (PRP) gilt als sichere und wirksame Therapieoption für Gonarthrose und wird als mindestens gleichwertig, oft sogar besser als Hyaluronsäure (HA) eingestuft. PRP enthält Wachstumsfaktoren und Botenstoffe mit entzündungshemmenden und regenerativen Effekten, wobei einige Inhaltsstoffe auch entzündungsfördernd wirken können.16,17,18 Der genaue Wirkmechanismus ist jedoch noch nicht vollständig verstanden.
Tier- und klinische Studien zeigen meist positive Effekte auf Knorpel- und Synovialgewebe.19 In Metaanalysen, darunter eine von Belk et al. (2021), wurde PRP hinsichtlich Schmerzreduktion und Gelenkfunktion als überlegen gegenüber HA bewertet.20,21 Einige Studien wie die RESTORE-Studie weisen jedoch auf uneinheitliche Ergebnisse hin, die auf Variationen in PRP-Zusammensetzungen und Studienmethoden zurückzuführen sind.22,23,24
In Deutschland unterliegt die PRP-Herstellung den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des Transfusionsgesetzes (TFG) und muss durch ärztliche Aufsicht erfolgen. PRP-Behandlungen werden besonders für Patienten empfohlen, bei denen NSAR nicht wirksam oder kontraindiziert sind, wobei diese Empfehlung von 75 % der Konsensusgruppe unterstützt wird.
Die Leitlinie gibt jedoch keine Empfehlung für ein spezifisches Herstellungsverfahren von PRP.
Bestimmte alternative Behandlungsansätze werden aufgrund unzureichender Studienlage oder geringer Wirksamkeit nicht empfohlen. Die Leitlinie hebt hervor, dass diese Methoden für die Behandlung von Kniearthrose keinen klaren Vorteil bieten:
Hyaluronsäure (HA) wird seit Langem zur Schmerzlinderung bei Gonarthrose eingesetzt, aber die Wirksamkeit bleibt umstritten. Einige Metaanalysen zeigen eine klinisch relevante Schmerzreduktion mit Effektgrößen zwischen 0,34 und 0,63, teilweise besser als NSAR und Corticosteroide.25,26,27 Ein systematischer Review von Pereira et al. (2022) mit 24 RCTs fand jedoch nur geringe, klinisch wenig relevante Effekte.28
Hyaluronsäure wird empfohlen für Patienten, bei denen NSAR kontraindiziert sind oder nicht ausreichend wirken, da Hyaluronsäure oft weniger Nebenwirkungen zeigt.29,30,31 Die Kombination von Hyaluronsäure mit Corticosteroiden kann bei entzündlichen Schüben von Vorteil sein, allerdings ist die Studienlage hier begrenzt.32,33,34
Zusätzlich weisen HA-Präparate erhebliche Unterschiede in Molekulargewicht und Zusammensetzung auf, die ihre Wirksamkeit beeinflussen können, und höhermolekulare Präparate scheinen tendenziell effektiver zu sein.35,36,37,38,39
Insgesamt spricht die Leitlinie eine bedingte Empfehlung aus, Hyaluronsäure-Injektionen bei NSAR-Unverträglichkeit oder -Ineffektivität zu erwägen.
Mit der überarbeiteten Leitlinie zur Gonarthrose bietet die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) eine fundierte Orientierung für Patienten und Ärzte. Während sich gängige Therapien wie NSAR und Akupunktur weiterhin bewähren, erhalten alternative Ansätze wie PRP, Balneotherapie und Beinwellextrakt-Gele nun eine positive Bewertung. Die Leitlinie zeigt jedoch auch klar auf, bei welchen Verfahren – darunter Homöopathie und Blutegeltherapie – der wissenschaftliche Nachweis fehlt.
Damit schafft die neue Leitlinie eine transparente Grundlage für eine effektive und individuelle Behandlung von Kniearthrose und unterstützt Betroffene bei der Entscheidung für oder gegen bestimmte Therapien.