![Hände in blauen Schutzhandschuhen, die eine Pipette verwenden, um eine Flüssigkeit aus einer kleinen, braunen Flasche zu extrahieren, umgeben von verschiedenen Heilkräutern und Nahrungsergänzungsmitteln auf einem weißen Hintergrund.](https://www.naturheilverfahren.de/wp-content/uploads/2024/03/Phytotherapie-1024x631.jpg)
![Hände in blauen Schutzhandschuhen, die eine Pipette verwenden, um eine Flüssigkeit aus einer kleinen, braunen Flasche zu extrahieren, umgeben von verschiedenen Heilkräutern und Nahrungsergänzungsmitteln auf einem weißen Hintergrund.](https://www.naturheilverfahren.de/wp-content/uploads/2024/03/Phytotherapie-1024x631.jpg)
Neurodegenerative Erkrankungen, insbesondere Demenz, sind eine Geißel der Menschheit – sowohl menschlich als auch volkswirtschaftlich. Trotz weltweiter Forschungsanstrengungen ist ein Wundermittel gegen den Nerventod bislang nicht in Sicht. Dabei suchen Menschen schon seit Jahrtausenden nach Methoden und Pflanzen, die uns „geistig fit“ halten. Gibt es tatsächlich Heilpflanzen, die Nervenzellen schützen können? Welche aussagekräftigen Studien belegen die neuroprotektiven Eigenschaften pflanzlicher Inhaltsstoffe? Wo liegen die Chancen und wo die Grenzen für Phytopharmaka in der Neuroprotektion?
Im Bestreben, kognitive Gesundheit zu bewahren und neue Therapien gegen neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln, rückt die pflanzliche Neuroprotektion immer stärker in den Fokus der medizinischen Forschung. Foto: Shutterstock
Der Begriff Neuroprotektion bezeichnet Strategien zum Schutz von Nervenzellen gegen Schädigung und vorzeitiges Absterben. Das ist wichtig, da Nervenzellen im Zentralnervensystem nicht regeneriert werden. Neuronenschäden können nach akuten Ereignissen wie Schlaganfall oder Verletzung auftreten oder bei bestimmten neurologischen Erkrankungen, wie Alzheimer, Parkinson und Multipler Sklerose (MS), den so genannten neurodegenerativen Erkrankungen. Aber auch durch schädliche Umwelteinflüsse und den natürlichen Alterungsprozess können Nervenzellen geschädigt werden. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der altersbedingten Zunahme einiger neurodegenerativer Erkrankungen, wie Alzheimer und Parkinson, wird die Zahl der Betroffenen in den nächsten Jahrzehnten dramatisch ansteigen.6
Es gibt verschiedene Methoden der Neuroprotektion, von Änderungen des Lebensstils, wie Sport oder gesunder Ernährung bis hin zu „High-Tech“-Ansätzen, wie Stammzell- oder Gentherapie. In diesem Text geht es um den derzeit wichtigsten und vielversprechendsten Ansatz: pharmakologische Maßnahmen.18
Die aktuell bekannten neuroprotektiven Pharmaka sollen Neuronen vor schädlichen Einflüssen schützen und so die Degeneration des Nervensystems verlangsamen oder sogar aufhalten. Sie zielen auf verschiedene biochemische Mechanismen und deren Schlüsselmoleküle ab, die bei der Degeneration von Nervenzellen eine wichtige Rolle spielen. Im Fokus stehen vor allem Veränderungen in Neurotransmittersystemen, oxidativer Stress, Entzündungsreaktionen und die pathologische Anhäufung von fehlgefalteten Proteinen oder deren Abbauprodukten.18
Alle klinisch verfügbaren Medikamente zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wirken lediglich symptomatisch und können bestenfalls das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, aber eine bereits eingetretene neuronale Degeneration nicht rückgängig machen. Außerdem stehen häufig unerwünschte Nebenwirkungen, hohe Kosten und nachlassende Wirksamkeit einem längeren und effektiven Einsatz entgegen. Daher besteht seit Jahren ein großes Interesse an der Entwicklung neuer Arzneimittelkandidaten, wobei den pflanzlichen Wirkstoffen große Aufmerksamkeit geschenkt wird.7
Pflanzen, seit Jahrtausenden ein Eckpfeiler der Heilkunde, sind heute integraler Bestandteil der Phytotherapie. Dieses traditionelle Wissen wird auch in der modernen, evidenzbasierten Medizin geschätzt. Vor allem durch die Extraktion der Wirkstoffe aus geeigneten Heilpflanzen lassen sich standardisierte Phytopharmaka entwickeln, in denen erwünschte Inhaltstoffe angereichert und unerwünschte entfernt wurden. Darüber hinaus können die pflanzlichen Wirksubstanzen analysiert und isoliert werden, um sie anschließend chemisch zu synthetisieren oder zu modifizieren. Auf diese Weise wurden bereits mehrere Arzneimittel aus natürlichen Quellen entwickelt und in großem Umfang zur Therapie bei neurodegenerativen Erkrankungen eingesetzt.6
Im Gegensatz zu definierten chemischen Verbindungen bestehen Pflanzenextrakte aus einem komplexen Gemisch vieler verschiedener Inhaltsstoffe, deren genaue Wirkung und Interaktion oft nicht ausreichend bekannt ist. Dies kann zu Variationen in der Wirkung führen, weshalb verschiedene Phytopharmaka – selbst aus derselben Pflanzenart – nicht unbedingt miteinander vergleichbar sind. Die Komplexität pflanzlicher Arzneimittel kann aber auch von Vorteil sein, da es sich bei der Neurodegeneration höchstwahrscheinlich um einen multifaktoriellen Prozess handelt. Ein komplexes Gemisch aus verschiedenen Verbindungen könnte daher besser geeignet sein, mehrere relevante Ziele gleichzeitig anzugreifen.5 Außerdem sind die Einzelwirkstoffe in Phytopharmaka meist niedriger konzentriert und damit oft besser verträglich.
Für weiterführende Informationen zur Phytotherapie und deren Anwendung in der modernen Medizin, siehe unseren Hauptartikel zum Thema.
In den letzten Jahrzehnten wurden die anti-oxidativen (gegen freie Radikale gerichteten), anti-inflammatorischen (entzündungshemmenden) und anti-apoptotischen (den Zelltod verhindernden) Eigenschaften verschiedener Pflanzenextrakte bzw. einzelner Pflanzenstoffe im Laborversuch (in vitro) untersucht. Ihre neuroprotektiven Wirkungen wurden zum Teil auch im Tierversuch (in vivo) analysiert. Hierfür werden vor allem Tiermodelle von neurodegenerativen Erkrankungen, wie Alzheimer oder Parkinson, verwendet. Die Ergebnisse dieser experimentellen Studien an Pflanzeninhaltsstoffen sind vielversprechend und wurden in mehreren Übersichtsarbeiten dargestellt.1,2,3,6,14
Ob die experimentell nachgewiesenen Wirkungen auch auf den Menschen übertragbar und klinisch nutzbar sind, kann letztlich nur in großen kontrollierten klinischen Studien (am besten in plazebokontrollierten, randomisierten Doppelblindstudien) geklärt werden. In solchen Studien wird auch die ideale, sichere und wirksame Dosis des Wirkstoffs ermittelt.6
Im Folgenden beschreiben wir Curcumin als Beispiel für einen pflanzlichen Wirkstoff mit potenziell neuroprotektiven Eigenschaften.
Mit Curcumin gegen Gehirnalterung.
Curcumin, eine verträgliche pflanzliche Substanz, verfügt über bedeutendes therapeutisches Potenzial, einschließlich der möglichen Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen. Doch was genau ist Curcumin und in welcher Beziehung steht es zu Kurkuma?
Kurkuma (Curcuma longa) ist eine in Südostasien beheimatete Pflanzenart aus der Familie der Ingwergewächse. Die Rhizome (Wurzelstöcke) dieser und verwandter Arten sind seit langem als Gewürz und Heilmittel bekannt. Für seine charakteristische Farbe ist der Inhaltsstoff Curcumin verantwortlich. Das leuchtend gelbe Flavonoid Curcumin (Diferuloylmethan) ist der pharmakologisch wichtigste und am besten untersuchte Inhaltsstoff in Kurkuma. Das Rhizom und seine Extrakte enthalten jedoch noch weitere strukturell verwandte Verbindungen, die zusammen als Curcuminoide bezeichnet werden und für die verschiedenen pharmakologischen Aktivitäten verantwortlich sind. Darüber hinaus enthält die Wurzel Zucker, Proteine und verschiedene ätherische Öle, darunter Tumeron, Atlanton und Zingiberon.7,12
Das Spektrum der biologischen Aktivitäten von Curcumin und seinen Verbindungen, wurde in zahlreichen In-vitro-Studien und Tiermodellen auf seine neuroprotektiven Wirkungen hin untersucht und in einer Reihe von Übersichtsarbeiten dargestellt und bewertet.7,12,13,17
Zusammenfassend zeigen diese Reviews, dass Curcuminoide bzw. Curcuma-Extrakte eine neuroprotektive Wirkung haben, die vermutlich auf anti-amyloide, antioxidative und entzündungshemmenden Eigenschaften zurückzuführen sind. So zeigen Studien an Alzheimer-Tiermodellen einen direkten Effekt von Curcumin auf die Reduktion von Amyloid-Ablagerungen im Gehirn sowie eine Verbesserung der Verhaltensstörungen. Auch in verschiedenen Mausmodellen der Parkinson-Krankheit zeigten Curcumin-Präparate eine neuroprotektive Wirkung und verbesserten motorische Defizite. Unter anderem schützten sie dopaminerge Neuronen vor dem Zelltod, senkten die Expression mehrerer Entzündungsmarker und reduzierten die Aktivität von Enzymen, die am Entzündungsprozess beteiligt sind. In Tiermodellen für Schlaganfall schützte Curcumin die Neuronen vor ischämischem Zelltod und verbesserte Verhaltensdefizite. Andere experimentelle Studien zeigen, dass Curcumin auch verschiedene Wachstumsfaktoren (BDNF, GDNF, PDGF) stimuliert, was die Neurogenese und Synaptogenese fördern und die Kognition bei Versuchstieren verbessern kann.
Auch klinische Studien zu Curcumin-Präparate wurden veröffentlicht, allerdings mit inkonsistenten Ergebnissen. Dies ist höchstwahrscheinlich auf die relativ geringe Löslichkeit und Bioverfügbarkeit von Curcumin zurückzuführen. Panknin et al. (2023) werteten klinische Studien zur Wirkung von oralem Curcumin beim Menschen aus. Nur sehr wenige Arbeiten befasste sich allerdings mit neurodegenerativen Erkrankungen wie MS, Alzheimer und ALS und stellten positive Effekte durch die Einnahme von Curcumin-Präparaten fest. Am stärksten war die Evidenz bei Erkrankungen, bei denen Entzündungen ein wichtiger Krankheitsfaktor sind. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Curcumin beim Menschen eine biologische Aktivität zu besitzen scheint, die bei der Behandlung bestimmter entzündlicher Erkrankungen von medizinischem Nutzen sein könnte. Weitere Forschung sei erforderlich, insbesondere die systematische Bewertung verschiedener Curcumin-Formulierungen und -Dosierungen für die klinische Anwendung.15
Neben der beschriebenen Kurkuma gibt es noch zahlreiche weitere Pflanzenarten, bei denen neuroprotektive Effekte vermutet oder nachgewiesen wurden. Auch hierzu wurden in den letzten Jahren verschiedene Übersichtsarbeiten veröffentlicht.3,9,11,12,14 Im Folgenden stellen wir einige dieser Pflanzen kurz vor:
Ginkgo biloba, eine ursprünglich aus China stammende Baumart, ist heute eine der wichtigsten und am intensivsten untersuchten Heilpflanzen. Die Blätter enthalten vor allem Bilobalide, Ginkgolide, Quercetin, Isorhamnetin und Kaemferol, aber auch die unerwünschten Ginkgolsäuren. Letztere sind in standardisierten Ginkgo-Extrakten abgereichert. Solche Extrakte zeigen in vitro und in vivo antioxidative, neuroprotektive und durchblutungsfördernde Eigenschaften. Daher werden ihnen (zumindest in hohen Konzentrationen) antidementive und kognitionsfördernde Wirkungen zugeschrieben. Ginkgo-Präparate werden vor allem in den USA (als Nahrungsergänzungsmittel) und in Europa (auch als rezeptfreie Arzneimittel) zur symptomatischen Behandlung von Alzheimer, leichter kognitiver Störung sowie zur Verbesserung der Hirndurchblutung und des Gedächtnisses eingesetzt.11 Tatsächlich zeigen klinische Studien eine leichte, aber signifikante Verbesserung der kognitiven Funktionen bei Alzheimer-Patienten im Frühstadium – zumindest hohe Dosen eingenommen über einen längeren Zeitraum.19
Neben den neuroprotektiven Eigenschaften von Ginkgo kann dieser Pflanzenstoff auch nach einem Schlaganfall helfen. Eine Studie über die Wirkung von Ginkgo biloba nach Schlaganfall, präsentiert auf der International Stroke Conference 2024, belegt, dass ein modifizierter Ginkgo-Extrakt die Erholung signifikant fördert.
Tee, eines der weltweit beliebtesten Getränke, enthält Polyphenole, Koffein, Mineralstoffe und Spuren von Vitaminen, Aminosäuren und Kohlenhydraten. Die Zusammensetzung variiert jedoch nach dem Fermentations- und Zubereitungsverfahren. Grüner Tee ist reicher an Antioxidantien als andere Teesorten. Den im Grüntee enthaltenen sekundären Pflanzenstoffen, insbesondere den Polyphenolen, wird eine neuroprotektive Wirkung zugeschrieben, da sie die Expression verschiedener antioxidativer Enzyme induzieren können. Es gibt auch Hinweise darauf, dass EGCG, ein Katechin, das reichlich im grünen Tee vorkommt, die Amyloid-induzierte Neurotoxizität unterdrückt, indem es verschiedene neuronale Wachstumsfaktoren moduliert. Daher wird grüner Tee auch als potenzielles Mittel zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen angesehen. Allerdings ist die Studienlage insgesamt eher schwach.16
Die Blätter der ursprünglich mediterranen Gewürzpflanze Rosmarin enthalten ein ätherisches Öl, das auch medizinisch genutzt wird. Die wirksamsten aktiven Komponenten verschiedener Rosmarinextrakte sind Di- und Triterpene und Phenolsäuren, darunter Rosmarinsäure, Carnosinsäure, Rosmanol, Carnosol, Ursolsäure und Betulinsäure.10 Der Übersichtsartikel von Faridzadeh (2022) fasst die protektiven Effekte von Rosmarinextrakt aus In-vitro- und In-vivo-Studien zusammen und findet Hinweise auf antioxidative, entzündungshemmende und Anti-Acetylcholinesterase-Aktivitäten sowie auf andere modulatorische Effekte. Aber auch bei Rosmarin gibt es nur wenige und keine qualitativ hochwertigen klinischen Studien, die eine neuroprotektive Wirkung oder gar kognitive Effekte signifikant zeigen.8
Wie die wissenschaftlichen Publikationen der letzten Jahre zeigen, kennen wir Dutzende von Pflanzen, für die neuroprotektive Eigenschaften vermutet oder nachgewiesen werden. In Zukunft müssen mehr valide klinische Studien durchgeführt werden, um die Wirkungen standardisierter pflanzlicher Arzneimittel bei der Behandlung neurologischer Störungen zu untersuchen. Darüber hinaus sind weitere In-vivo- und In-vitro-Studien erforderlich, um die zugrunde liegenden Wirkmechanismen dieser pflanzlichen Arzneimittel bei verschiedenen Krankheiten besser zu verstehen.
Curcumin ist eine sichere pflanzliche Verbindung, die ein großes medizinisches Potenzial besitzt und auch bei der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen von Nutzen sein könnte. Eine große Herausforderung stellt jedoch die geringe Bioverfügbarkeit dar, die durch Modifikationen der Wirkstoffe optimiert werden muss.